Märchen aus Georgien – Ein Beitrag zum #littripGE18

Hallo ihr Lieben,

heute wird es mal einen etwas anderen Beitrag für euch geben. Ich bin nämlich Teil des Gastland-Projektes, welches Ramona vom Blog El Tragalibros und Ramona vom Blog Kielfeder ins Leben gerufen haben. Nun schon zum Dritten mal widmen sie sich mit einer Anzahl anderen Bloggern dem jeweiligen Gastland der Frankfurter Buchmesse, um die Wartezeit auf diese ein wenig zu überbrücken und vor allem auch dieses Land vorzustellen. In diesem Jahr steht alles im Fokus Georgien. Wenn ihr auf Instagram, Facebook oder Twitter nach Beiträgen zu dem Thema schauen wollt, dann sucht einfach nach dem Hashtag #littripGE18. Gerne könnt ihr euch auch selbst beteiligen und den Hashtag für eure Beiträge rund um Georgien nutzen.

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Bei mir wird es deshalb heute einen Beitrag rund um die Märchenkultur in Georgien geben, vorgestellt anhand des Sammelwerkes „Der König, der nicht lachen konnte“ aus dem NordSüd Verlag.

Märchen sind aus der Kultur Georgiens nicht wegzudenken. Sie sind ein fester Bestandteil der Alltagskultur und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Als ich mich durch dieses Gastland-Projekt mehr mit dem Thema auseinander gesetzt habe, habe ich gemerkt, wie vielfältig die (Märchen-)Kultur Georgiens doch ist. Schnell war dann auch klar, dass ich mich gern mit den Märchen aus Georgien beschäftigen möchte. Passenderweise ist Ende 2017 ein Sammelband im NordSüd Verlag erschienen, der die Märchen Georgiens behandelt. Und das Tolle: es gibt unglaublich schöne und ausdrucksstarke Illustrationen, welche ich euch später genauer vorstellen werde. Das Buch ist wirklich ein Hingucker und ich werde mich deshalb in diesem Beitrag nur auf diese Sammlung beziehen.

Der König, der nicht lachen konnte
Der König, der nicht lachen konnte

Als ich mir das Inhaltsverzeichnis des Buches angeschaut habe, sind mir einige Begriffe sehr fremd vorgekommen. Das macht das Lesen dieser Märchen aber umso interessanter. Denn wenn man von Zikara, Nazarkekia oder auch Aspurzela liest, möchte man wissen, was es damit auf sich hat.

Beim Lesen der einzelnen Märchen sind mir einige Punkte aufgefallen, die ich gerne mit euch teilen möchte. Falls ihr euch mit der Märchenkultur auskennt oder euch dafür interessiert, können wir gerne im Anschluss über die Punkte sprechen.

Die Bedeutung der Zahlen
Nachdem ich einige Seiten gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass die Zahl neun sehr präsent ist: Ein Junge wird hinter neun Türen eingeschlossen, es geht um neun Brüder, ein Riese besaß neun Frauen und eine Träne durchbrennt neun Schichten Haut. Ähnlich sieht es mit der Zahl drei aus: Es gibt drei Peitschen, drei Brüder, drei Schlangen oder auch drei Gesellen. Das ist nur eine kleine Auswahl der Stellen, an denen die Zahlen drei und neun in den vorliegenden Märchen vorkommen. Doch was hat es mit diesen Zahl auf sich? Nach einiger Recherche bin ich auf folgende Erklärung gestoßen: In vielen Kulturen steht die Zahl drei für das Göttliche. Und die Zahl neun beinhaltet dreimal die Zahl drei und steht dadurch für Vollkommenheit. Diese Bedeutungen klingen für mich sehr plausibel und zeigen, warum diese Zahlen in fast jedem der vorliegenden Märchen eine Bedeutung finden.

Der Wunsch nach Gerechtigkeit und das Streben nach Glück
Die vorliegenden Märchen haben primär folgende Intensionen: sie zeigen auf verschiedene Arten, wie der Wunsch nach Gerechtigkeit und das Streben nach Glück umgesetzt werden kann. Im Normalfall gibt es eine Person (diese ist meistens namenlos), die ungerecht behandelt wird und im Laufe des Märchens wird die Geschichte dahingegen aufgelöst, dass die Person am Ende glücklich und zufrieden ist. Und der Gegenspieler meistens nicht überlebt.

In vielen Märchen sind es meistens die „kleinen“ und unscheinbaren Personen oder Tiere, die am Ende das bekommen, was sie sich gewünscht haben. Sei es das Halbhuhn, welches von allen anderen Tieren und Menschen nur belächelt wird und am Ende ein Königreich regiert oder auch der jüngste Sohn, der von seinen beiden älteren Brüdern nie ernst genommen wurde, aber im Verlauf des Märchens alle ihm gestellten Aufgaben erledigt und die Herrschaft übernimmt.

Das Halbhuhn
Das Halbhuhn

Die Märchen haben immer eine moralische Komponente, die vor allem den Kindern, denen sie vorgetragen wurden, etwas auf den Weg geben sollten: So wird in dem Märchen Zikara unter anderen deutlich, dass man das zurück bekommt, was man gegeben hat. Ein Junge wurde in einem Turm eingesperrt und bittet die vorbeifliegenden Tiere um Hilfe. Aber da er sie früher immer geärgert oder sogar mit Steinen beworfen hat, fliegen sie vorbei und helfen ihm nicht. Wäre er nett zu ihnen gewesen, als er noch nichts von ihnen gefordert hat, hätte er frühzeitig Hilfe erhalten. Und auch das Märchen Die Trense des Teufels macht schnell deutlich, dass es den Menschen nichts bringt, geizig zu sein. Denn das macht nicht glücklich. In dieser Geschichte geht es um einen sehr reichen Mann, der zu Hause alles im Überfluss hat, aber seine Familie hungern lässt und ihnen nichts zum Anziehen gibt. Erst als er während einer Reise der Teufelsfamilie gegenübersteht, wird ihm klar, dass er seine Familie ehren muss und nicht mehr geizig sein darf, wenn er ein guter Ehemann und Vater sein möchte.

Die Teufelfamilie
Die Teufelsfamilie

Es geht immer um die Gegenüberstellung von Gut und Böse. Die Moral des Märchens wird im Verlauf der Geschichte durch einige Gefahren erst deutlich gemacht. Am Ende überlebt das Böse meistens nicht.

Die Umgebung und die Dewen
Außerdem werden sehr wenige Ortsangaben gemacht. Die Märchen spielen nicht in einer bestimmten Gegend oder gar Stadt. Es wird immer nur umschrieben, wo sich die Protagonisten befinden. So wohnen sie z.B. in der Nähe eines großen Flusses oder eines unwegsamen Waldes. Durch diese vagen Angaben kann der Spielort des Märchens also fast überall sein und das macht die Geschichte auf fast alle Gegenden Georgiens übertragbar.

Die Märchen sind voll von Riesen und Ungeheuern, die in Georgien als „Dewen“ bezeichnet werden. Sie stellen in vielen Märchen die Gegenspieler der Protagonisten dar. Die Dewen werden als stark, groß und furchtlos beschrieben und sind im Normalfall Menschenfresser. Das macht es für den Helden der Geschichte natürlich umso spannender. Die Dewen können nicht einfach getötet werden, ihre Seele befindet sich nämlich an einem unbekannten Ort. Nur mit Hilfe einer Frau können die Protagonisten diesen Ort finden und die Seele an sich nehmen. Erst dann kann ein Dewen getötet werden. Diese Legende erinnert mich übrigens stark an die Horkruxe in Harry Potter ;-)


Ich habe Märchen schon als Kind geliebt und immer gerne gelesen. Diese Sammlung hat mir wieder gezeigt, was Märchen für mich so besonders machen: Sie sind mystisch und geheimnisvoll. Sie halten sich nicht an feste Regeln, sondern erzählen Situationen, die überall stattfinden und angewandt werden können. Oftmals greifen sie Punkte auf, die im Alltag aufgegriffen werden können, natürlich ohne die beschriebene Brutalität ;-) Aber die moralischen Komponenten sind übertragbar und ich habe gemerkt, dass man viel öfter auf das achten sollte, was man (unterbewusst) von sich gibt. Denn irgendwann fällt jeder Fehltritt wieder auf einen zurück.

Die Märchen sind zeitlos. Das ist etwas ganz Besonderes. Denn auch noch heute werden sie erzählt und von Generation zu Generation weitergegeben. Es zeigt, wie traditionsreich Georgien ist und welches kulturelle Gut Märchen für ihre Gesellschaft hat.

Diese Sammlung ist außerdem wunderschön illustriert. Die vorliegenden Illustrationen sind nur für dieses Buch entstanden und wurden von Studierenden im Buchkunstzentrum in Tbilissi (der Haupstadt Georgiens) nach einem Workshop erstellt. Das Buch ist auf jeden Fall eine Augenweide im Bücherregal.


Weitere Beiträge zum Gastland-Projekt #littripGE18 findet ihr auf folgenden Blogs:

10.9. Ankündigung der Gastland-Aktion bei Ramona (Kielfeder) & Ramona (El Tragalibros – der Bücherwurm)
11.9. Krimi- und Thriller-Autoren Georgiens bei Kerstin von KeJas Blogbuch
13.9. Titel-Handlettering & Rezensionen zu „Bestseller“ + „Der Korb“ bei Franzi von Lovely Mix
14.9. Georgische Literatur im Weidle Verlag bei Malu – Buchbuechse
15.9. Lesenacht ab 19 Uhr (mit Gewinnspielen) auf Twitter mit dem Hashtag #littripGE18
16.9. Literarische Lesepause
17.9. Georgien – ein literarisches Kennenlernen bei Sarah von Studierenichtdeinleben
18.9. Georgien kulinarisch: Gefüllte Auberginen mit Walnusspaste (vegan) bei Daniela und Heiko von Teekesselchen
19.9. Literaturgeschichte Georgiens mit Fokus auf 2-3 SchriftstellerInnen bei Katrin von The Booted Kat
20.9. Georgische Geschichten: damals und heute bei Gabriela vom Buchperlenblog
21.9. Abschlussbeiträge mit Interviews bei Ramona( Kielfeder) & Ramona (El Tragalibros – der Bücherwurm)

Wir ihr seht, findet am 15.09.2018 auf Twitter eine Lesenacht mit einigen Gewinnspielen statt. Schaut doch unter dem Hashtag #littripGE18 vorbei und macht mit. Ich werde auf jeden Fall dabei sein und mir das ein oder andere Buch vornehmen ;-)

11 Gedanken zu “Märchen aus Georgien – Ein Beitrag zum #littripGE18

  1. Pingback: Reise nach Georgien: Ein Interview mit einer Lektorin | Kielfeder

  2. Pingback: El Tragalibros - der Bücherwurm: Blog über Literatur

  3. Pingback: Georgische Geschichten: Damals und Heute – Buchperlenblog

  4. Liebe Sandra, ganz toller Beitrag – vielen Dank dafür. Ich hatte vor einigen Jahren (ja okay, vor etwas mehr als einigen Jahren) eine ausgeprägte Märchenphase und habe mir da diverse Märchenbücher (u.a. natürlich Grimms Märchen u Hans Christian Andersen) besorgt. Die georgischen Märchen scheinen sich aber auch wirklich zu lohnen!

    In diesem Buch finde ich die Zeichnung besonders klasse, die du fotografiert hast. Das ist so eine schöne Mischung aus modern und märchenhaft (und ein bisschen gruselig).

    Liebe Grüße, Ramona

  5. Hallo Nana,
    wow, Deinen Beitrag finde ich richtig klasse. Märchen sind ja auch meins, vorallem die die nicht so bekannt bei uns sind. Das Georgiens Literatur viele Perlen enthält habe ich bei meiner Stöberreise auch gemerkt. Dieses Märchenbuch finde ich wunderschön auch wegen der Zeichnungen. So einem Dewen möchte ich ja wirklich nicht begegnen :-)
    Aber sie sind wie du sagst auch sehr lehrreich und ich fürchte das Märchenerzählen gerät immer mehr in Vergessenheit. Wobei, die ursprünglichen ja echt grausam waren.
    Hab herzlichen Dank für diese tolle Vorstellung, ich habe es sehr genossen.
    Liebe Grüße und eine gute Woche für Dich
    Kerstin

    1. Liebe Kerstin,
      Vielen Dank für deine tollen Worte. Es freut mich, dass dir der Beitrag so gut gefällt. Märchen sind wirklich unglaublich wichtig und dieses Buch macht zusätzlich auch noch ziemlich viel her!
      Viele Grüße
      Sandra

  6. Pingback: Eine Reise nach Georgien, dem Gastland der Frankfurter Buchmesse | Kielfeder

  7. Hallo!
    Ein ganz toller Beitrag! Ich liebe Märchen ja genauso sehr und ich glaube, dass dieses Märchenbuch defintiv etwas für mich wäre. DIe Illustrationen sind ja wirklich richtig toll. Danke dir fürs Vorstellen! 🙂
    Liebe Grüße!
    Gabriela

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